In unserem Werbealltag leben wir gemeinsam mit X-weiteren Personen in einer Wohnung. Ein Teil des Teams bzw. der neuen temporären Wohngemeinschaft ist uns oft nicht bekannt.  

Wir essen gemeinsam, teilen die gleichen Badezimmer, putzen gemeinsam unsere Zähne, schlafen in denselben Räumen und manchmal sogar in denselben Betten. Wir lernen uns oft schneller kennen als üblich.  
Wir teilen für einen gewissen Zeitraum unsere Leben miteinander. Sowohl räumlich als auch emotional. Wir erleben ähnliche absurde, lustige und schwierige Momente. Wir teilen die gleichen Herausforderungen, von denen wir uns am Abend erzählen.

Wir motivieren uns, bauen uns gegenseitig auf oder nehmen uns nach einem harten Tag in die Arme.

Die gegenseitige Unterstützung und die Nähe zueinander helfen uns, gerade weil unser Job nicht immer ganz leicht ist.

Nicht wenige nennen es deshalb auch die „Wesser Family“!
Diese Verbindungen, die dabei entstehen, sind häufig etwas sehr Besonderes. Sie schaffen Nähe, Vertrautheit und Freundschaft – manchmal sogar Liebe und Leidenschaft.  

Allerdings …

… kann man einer Person auch ‚zu nahe treten‘. Und das geht auf ganz unterschiedliche Weise!

Zum einen gibt es die alltäglichen Situationen. Jeder hat schon einmal ein Gespräch mit einer Person geführt, die uns etwas zu nahe kam, sodass man selbst einen Schritt zurückweicht. In diesem Fall ist die Person in deinen persönlichen Wohlfühlradius „eingedrungen“, möglicherweise ungewollt, vielleicht aber auch ganz bewusst, um dir näher zu sein.

Nicht weiter schlimm, wir können ja einen kleinen Schritt zurückweichen und der Person somit signalisieren, was ok ist und was nicht.

Jeder Mensch hat eine andere Wohlfühlzone, was die Nähe zu anderen betrifft. Diese ist selbstverständlich individuell und zu respektieren.

Und wenn unsere allgemeine Körpersprache, wie beispielsweise ein Zurückweichen, nicht ausreicht, um zu signalisieren, dass unsere Wohlfühlgrenze überschritten wurde, kann man es ruhig und freundlich ansprechen: „Kannst du mir bitte etwas mehr Raum geben?“ Das führt häufig zur Besserung einer Situation, da Grenzen kommuniziert werden.

In den meisten Fällen wollen Andere einem auch nichts Böses, sondern handeln aus eigenen und oft herzlichen Motiven oder merken es einfach gar nicht.

Gerade bei eingeschworenen Teams gehören Berührungen und Umarmungen häufig zum Alltag und sind ein wichtiger Bestandteil einer liebevollen Teamkultur. Da werden auch neue Kolleg*innen herzlich begrüßt und umarmt.  

Doch wenn wir aufmerksam darauf achten und genau hinschauen, werden wir merken, dass sich manche Personen während einer herzlich gemeinten Umarmung etwas versteifen oder irritiert sind.  

Aber wie reagiert man gut in dieser Situation, wenn es mir zu viel Nähe ist? Gehe ich nun auf Distanz? Ignorieren oder ansprechen?  Insbesondere, wenn jemand neu im Team ist, fällt es oft schwer, so etwas offen auszusprechen. Es ist der Person vielleicht unangenehm etwas zu sagen, denn man möchte nicht gleich ‚negativ‘ auffallen. Ebenso ist es schwierig Unbehagen zu kommunizieren, wenn eine Hierarchie herrscht.   

Und falls ich selbst die Person bin, die unabsichtlich den Wohlfühlradius einer anderen Person eingedrungen bin? Entschuldige ich mich für meinen Versuch einer herzlichen Umarmung, die ich gut gemeint habe? Gerade für Teamleitungen und der wahrgenommenen Hierarchie ist es oft besser genau zu schauen und dann vielleicht eher ein Angebot auszusprechen, statt zur Tat zu schreiten.

An den alltäglichen Beispielen merken wir schnell, es ist kompliziert. Die Grenzen verschwimmen manchmal und es wird klar, dass es sich nicht immer gleich um einen Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung handelt. Bei dem Thema Nähe kann es schnell zu Herausforderungen und Missverständnissen kommen. Den perfekten Rat gibt es deshalb auch nicht, da die Wohlfühlzonen wie bereits erwähnt individuell sind.  

Abgesehen davon kann es selbstverständlich auch Situationen geben, wo eine Grenze deutlicher und wesentlich offensichtlicher überschritten wird – das dann ganz bewusst. Für Betroffene kann es eine enorme Herausforderung sein, Grenzen verteidigen zu müssen und zu äußern, dass einem etwas unangenehm ist. Gerade dann, wenn man sich gut mit der Person versteht.

Diese Form von Übergriffigkeit tolerieren wir nicht! Das gleiche erwarten wir auch von Dir. 

Beispielsituationen, in denen der Wohlfühlbereich sehr schnell und eindeutig verletzt wird:  

  • Eindringen in die Privatsphäre, z.B. indem man ein Schlafzimmer  betritt, ohne zu klopfen  
  • Ungefragt Nachrichten auf dem Telefon einer anderen Person zu lesen 
  • Anzügliche und zweideutige Bemerkungen über das Äußere von Mitarbeiter*innen, welche nicht selten als Kompliment gemeint sind. 
  • Aufdringliches Verhalten, z.B. Nähe suchen, die vom Gegenüber nicht erwidert wird  
  • Hinterherpfeifen  
  • Sexuelle Anspielungen, obszöne Witze, Gesten oder Kommentare  
  • Indiskretes Ausfragen über die Lebensführung, persönliche Probleme und das Liebesleben 
  • Deplatzierte und unangemessene Berührungen 
  • Anzügliche Blicke 

Wenn du als Teamleitung ein solches Verhalten beobachtest oder dir dieses zugetragen wird, suche bitte das Einzelgespräch zu den Mitarbeitenden, mit der Bitte das Verhalten zu unterlassen. Wer keine Einsicht zeigt und das Verhalten wiederholt, muss das Team verlassen. WesserCare kann unterstützen, wenn sich Betroffene an uns wenden! 
 

Fakt ist, im besten Fall entstehen solche Situationen gar nicht erst.  

Und da gerade Führungskräfte eine Schlüsselrolle in der Prävention einnehmen können, wurde dieses Thema auf dem Teamleitungsttreffen im Februar 2023 thematisiert. Dort haben wir mit einer Vielzahl an Teamleitungen diskutiert, was ihr im Falle von Grenzverletzungen im Team, aber auch präventiv tun könnt. 

Was kann man präventiv tun, um sowas zu verhindern? 

Es ist wichtig aus präventiver Sicht zu erwähnen, dass es konstruierte Situationen geben kann, in denen Menschen sich eher eingeladen fühlen, Grenzen zu überschreiten.
Freundschaftliche Nähe kann ein Wohlfühlklima im Team stark fördern und die Zeit im Team kann zu etwa Besonderem werden. Andrerseits kann sie auch Möglichkeiten schaffen und Hemmschwellen senken. Auch hier ist es kompliziert.
Aus Sicht der Teamleitung stellt sich somit die Frage, ob man selbst die Situation konstruiert, herbeiführt oder fördert. Hier muss jeder nach bestem Wissen und Gewissen die Situation im Team selbst einschätzen. Keine leichte Ausgabe.

Handlungsempfehlungen & Präventiv-Maßnahmen:

  1. Zimmer geschlechtergetrennt einteilen, gerade für Neuanreisende 
  2. Wesser Care als allgemeine Kontakt – und Beratungsstelle in der Teamansprache erwähnen. Hierdurch wird klar, dass es eine zuverlässige Stelle gibt, welche sich gerne allen Problemen annimmt, um Lösungen zu finden. Die Aufgabe von Wesser Care ist es, Missstände aufzudecken, für spezielle Themen zu sensibilisieren und Maßnahmen zu ergreifen, um Wohlbefinden, sowie Arbeitszufriedenheit zu fördern. 
  3. Vorbildfunktion einnehmen, indem du Angebote machst, anstatt Eigeninitiative zu ergreifen, bspw. durch die Frage: „Brauchst du gerade eine Umarmung?“. 
  4. Werte, die das Thema aufgreifen in der Teamansprache nennen und im Team leben 

Tipp:

➔ Hier könntest du in deiner Teamansprache folgendes platzieren:

  • Privatsphäre achten, indem man anklopft, bevor man ein Schlafzimmer betritt 
  • TL = Ansprechpartner*in bei Kritik, Wünschen, Unstimmigkeiten oder Unwohlsein – wir finden für alles eine Lösung 
  • Alle sollen sich wohlfühlen, ein sensibler und respektvoller Umgang miteinander ist dafür Voraussetzung. 
  • Offene Kommunikation: Gefällt dir etwas im Umgang nicht, sprich es an.
    Hier kannst du als Teamleitung konkret werden und Beispiele nennen: Ein Witz, überschwängliches oder überfürsorgliches Verhalten, für manche auch schon eine Umarmung. Was für Manche lustig oder schön ist, ist für Andere wiederum nervig, unangenehm oder zu viel.  
  • Abschließend: Offener Austausch über die individuellen Wünsche aller in Bezug auf das Miteinander und das Zusammenleben initiieren.
    Du kannst beginnend schildern, was dir persönlich wichtig ist und wo du dir wünschst, dass darauf im Umgang mit dir geachtet wird. Anschließend sind Hemmungen Anderer ggf. etwas reduziert, um ebenfalls zu äußern, was einem im Umgang wichtig ist.  

Bei Fragen melde dich gern telefonisch zu den angegebenen Sprechzeiten oder per Mail unter care@wesser.de bei uns.

Falls du uns anonym kontaktieren willst, dann geht das auch: Wesser Care

Sensibler Umgang miteinander